Legasthenie/LRS und Hobby Autorin, geht das?

Mein Name ist Gabi Haug (60 Jahre), ich lebe in Frankfurt am Main und bin Hobby Autorin.

Anfangen hat mein Interesse am Schreiben mit 40 Jahren. Damals habe ich Gedichte zu `Der Herr der Ringe` in einer FanFiction Community geschrieben. Danach mich an kleinen FanFiction-Geschichten ausprobiert. Nur Mut, sagten einige der Freunde, um die Rechtschreibung brauchst du dich nicht zu sehr sorgen – diese steht nicht im Vordergrund, auf deine Geschichtsideen kommt es an! Wir helfen dir!

Zwei Jahre später habe ich meine erste Homepage eingerichtet und für diese Texte geschrieben und irgendwann dann meine eigenen Geschichten entwickelt.

Im Jahr 2017 veröffentlichte ich beim Self-Publishing Verlag Books on Demand meinen ersten Roman. Seither sind 7 weitere Geschichten von mir erschienen und mittlerweile schreibe ich am 9. Roman.

Was für andere nicht als besonders erscheint, ist es für mich gewesen und ist es auch weiterhin – denn ich bin Legastheniker. Ich hätte es vielleicht auch nie ohne den Zuspruch unserer Autorenfreunde und dem meines Mannes gewagt.

Es ist auch wirklich nicht einfach für einen erwachsenen Menschen sich offen zur LRS zu bekennen. Den Widerständen und Ängsten zu trotzen, mit diesem Problem (denn das ist es im Alltag auch oft), habe ich mich erst spät entschlossen offen damit umzugehen. Selbst wenn dies heute noch mit erheblichen Zweifeln vonstattengeht, denn wir nicht ‘geförderten‘ Erwachsenen aus den 70er Jahren, die eine eigene Lern- und Schulgeschichte haben, die nicht immer positiv war, können oft nicht aus unserer eigenen Haut. Es ist nicht leicht die negativen Erinnerungen abzuschütteln. Doch schon einmal keine Hemmungen mehr zu haben und sagen zu können, dass man ein LRS Problem hat, das bringt ein bisschen Entspannung in die meist festgefahrene Situation.

Wer von uns Betroffenen kennt nicht das Grauen, das einem beim Lesen vor der Klasse erfasst hat. Wie oft ist der Versuch allein schon zu einem Stotterspektakel und zur Belustigung anderer geworden. Und ich lese (für mich) sehr viel. Doch um ehrlich zu sein, ich kann heute noch nicht, wenn man mich bewusst dazu auffordert, vor anderen lesen. Der Schalter im Kopf macht dann einfach klick und das Problem ist da und mit einer Klaustrophobie gleichzusetzen. Freunde sind dann oft sehr verwundert, die von meinen LRS Problemen wissen, wenn ich unbemerkt einfach etwas laut lese und da kein einziger Hänger im Text auftaucht… aber wehe man spricht mich während des Lesens darauf an.

Eines sollte bewusst sein, es gibt so viele bekannte Legastheniker, vom erfolgreichen Autor(in) über Schauspieler(in) bis hin zum Professor(in).

Man sollte auch wissen, eine Legasthenie ist oft genetisch bedingt, kann aber auch erworben werden. Es ist eine intelligenzunabhängig Wahrnehmungsstörungen. Oftmals tritt sie sogar mit einer Hochbegabung einhergehend auf.

Im Laufe seines Lebens kann man damit umgehen lernen. Es hilft nur eine gezielte und vor allem frühe Förderung bei speziell dafür ausgebildeten Therapeuten. Nur so lassen sich Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben vermindern. Nur eine solche Förderung hat bei mir nie stattgefunden.

Meine Schulzeit:

Die Angst zu Versagen war im Deutschunterricht mein ständiger Begleiter. In der Grundschule begann das Martyrium mit der neu eingeführten Ganzwortmethode. Erlernte Texte konnte ich auswendig, aber Lesen – wehe ich blieb an einer Textpassage hängen.

Die Förderung an unserer Schule, sie bestand darin, eine Schulstunde lang stupide Texte von der Tafel abzuschreiben, wenn der Nachhilfekurs dann nicht auch noch ausfiel.

Mein Selbstwertgefühl hat unter der Legasthenie auch gelitten. Ich war davor zwar schon ein ruhiges Kind, doch dies verstärkte sich immer mehr. Zum Glück konnte ich meine Schwäche jedoch mit anderen Fächern kompensieren und gab nicht auf lernen zu wollen.

Von den anderen Mitschülern wurde ich eigentlich gemocht.

Ab der fünften Klasse waren Biologie, Geschichte, Erdkunde und Sozialkunde die Fächer, die ich beherrschte und in denen ich meinen Mitschülern helfen konnte und durfte. Doch sobald das Fach Deutsch unterrichtet wurde, ich Texte an die Tafel schreiben oder vorlesen musste, da wurde ich ausgelacht und sogar beschimpft. Ich hörte dann Sätze wie: `Du bist ja dumm!´ und `Du kannst noch nicht mal einfache Sätze schreiben oder ohne zu stottern lesen!´Es waren auch nicht immer nur die Mitschüler, es gab darunter auch einige Pädagogen, die solches äußerten.

Ich habe einfach nicht verstanden, warum Worte und Sätze so und nicht so, wie sie sich in meinem Kopf formten, geschrieben werden mussten. Auch nicht, warum andere dies mit Leichtigkeit verstanden und ich nicht, obwohl ich immer fleißig geübt und meine Hausaufgaben gemacht hatte. Ich hatte wohl Glück, dass ich in den Naturkundefächern gut war. Daher bin ich nie sitzen geblieben.

Meine Klassenlehrerin hat mir noch in der 8. Klasse zu einem Legastheniker Test beim Stattlichen-Schulamt verholfen. Mein IQ Wert lag bei 110 und lag somit bei hoch. Ich habe damals ein Schreiben erhalten, in dem steht: Gabriele leidet an einer schweren Form der Legasthenie. Daraus geht hervor, dass ich bei schriftlichen Prüfungen von der Rechtschreibung auszunehmen sei und diese eben nicht bewertet werden dürften. Ich bin meiner Lehrerin heute noch dankbar, da es mir in der Lehrzeit geholfen hat. Ich konnte meine Ausbildung zur Floristin dadurch etwas gelöster angehen, obwohl meine Botanik-Lehrerin es nicht so toll fand. Sie hat es gehasst, mich nicht schriftlich bewerten zu können.

Ich werde wohl niemals fehlerfrei schreiben können, egal wie sehr ich mich auch bemühe. Dennoch schreibe ich Geschichten und bin stolz darauf, dass ich es geschafft habe, über meinen Schatten zu springen.

Meine Bitte hier an dieser Stelle an nichtbetroffene Leser dieses Textes, im Namen aller Legastheniker. Helft Kindern und Erwachsenen mit Legasthenie, und bestärkt sie dabei, das Lernen nicht aufzugeben.

Liebe Grüße, Gabi Haug

Bei Fragen

E-Mail:  gabi.haug-face@web.de

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